Stadt Ochtrup spendet das ausgemusterte TLF4000 für die Ukraine...
Für viele Feuerwehrfrauen und -männer der Feuerwehr Ochtrup war es schlichtweg ihr Lieblingsfahrzeug. Ein Mercedes-Benz 18t. Fahrgestell, mit 310 PS und einer Doppel-H-Getriebeschaltung – wer den Dreh einmal raus hatte, mochte das TLF 4000 (Tanklöschfahrzeug) nicht mehr missen. In Dienst gestellt wurde der große Tankwagen, welcher vom Ausbauhersteller Albert Ziegler GmbH aus Baden-Württemberg angefertigt wurde, im Jahre 1994 und war das erste Einsatzfahrzeug seiner Art im Fuhrpark der Ochtruper Wehr. Mit der wichtigste Grund der Anschaffung war der damalige Bau der Bundesautobahn A31 und der somit einhergehenden Erweiterung des Einsatzgebietes der Feuerwehr Ochtrup um nun knapp 33 Autobahnkilometer. Denn anders als im innerstädtischen Bereich verfügen Autobahnen über kein parallel zur Fahrbahn verlaufendes Hydrantennetz zur Löschwasserversorgung. Dies bedeutet im Umkehrschluss, dass die Feuerwehr bei Brandeinsätzen auf der Autobahn, wie beispielsweise LKW- oder PKW-Brände, auf ihre eigenen Ressourcen angewiesen sind. Mit einem Tankinhalt von 4800 Litern Wasser und 500 Litern Löschschaummittel war das nach alter Norm bezeichnete TLF 24/50 – d.h. 2400 Liter Pumpleistung bei 8 bar und 500 Liter Schaummittel an Bord – eines der ersten Einsatzfahrzeuge, welches bei derartigen Einsatzstichwörtern vom Westwall ausgerückt ist. Doch nicht nur auf der Autobahn war das TLF 4000 von einsatztaktischer Bedeutung. Besonders auch in den weit abgelegenen Stellen der Ochtruper Bauernschaften, da wo das Hydrantennetz besonders spärlich ausgebaut ist oder im Rahmen von Großbränden in den Industriegebieten konnte das TLF u.a. durch den Einsatz seines großen auf dem Dach montierten Wasserwerfers punkten.
Doch nach 28 Dienstjahren und unzähligen Einsätzen galt es vor knapp zwei Jahren die Ersatzbeschaffung für das in die Jahre gekommene Einsatzfahrzeug ins Auge zu fassen. Nach einer langen Planungs- und Bauzeit konnte die Feuerwehr Ochtrup Mitte Mai diesen Jahres den Nachfolger – ebenfalls ein TLF 4000 der Firma Schlingmann GmbH aus dem niedersächsischen Dissen auf MAN Fahrgestell – in den Dienst stellen. Doch was passiert mit Einsatzfahrzeugen der Feuerwehr, wenn diese in „Rente“ gehen? Eigentlich werden diese über die bundeseigene Treuhandgesellschaft „VEBEG“, welche für die Verwertung von Eigentum des Bundes und anderer öffentlicher Auftraggeber zuständig ist, verkauft. In diesem Fall verfährt die Stadt Ochtrup jedoch anders als gewohnt – denn das ausgemusterte TLF 4000 geht als Spende in die Ukraine. Wie kam es dazu? Der Kreisbrandmeister des Kreises Steinfurt erkundigte sich, wie mit dem außer Dienst gestellten Fahrzeug verblieben wird. Er macht in diesem Zusammenhang auf die Vereinigung „@fire – Internationaler Katastrophenschutz Deutschland e.V.“ – eine weltweit anerkannte deutsche nicht-staatliche Hilfsorganisation, die unter dem Motto „Feuerwehrleute helfen weltweit“ international Hilfe bei Naturkatastrophen leistet, aufmerksam. Seit Beginn des Krieges in der Ukraine engagierte sich @fire auch in diesem Bereich und hat sich zum Ziel gesetzt ihre ukrainischen Kameradinnen und Kameraden materiell zu unterstützen. Hierbei organisiert der Verein Materialspenden – vom klassischen Feuerwehrschlauch, über den motorbetriebenen Trennschleifer bis hin zum großen Löschfahrzeug – und wickelt deren Transfer in die Ukraine ab. Die Führung der Feuerwehr leitete in diesem Zuge die Anfrage, das Tanklöschfahrzeug unentgeltlich zur Verfügung zu stellen, an die Stadtverwaltung weiter, welche wohlwollend zustimmte. Im gleichen Zuge erklärten sich die Stadtwerke Ochtrup bereit einen Teil des Geldes, welches durch einen möglichen Verkauf des Fahrzeuges hätte eingenommen werden könnte, der Stadt Ochtrup für die Feuerwehr zu spenden. Dieses Geld soll unter anderem in die Anschaffung neuer Atemschutzgeräte investiert werden.
Seit Kriegsbeginn sind nach Informationen der Projektinitiatoren mehr als 250 Feuerwehr- und Rettungsdienstfahrzeuge, sowie über 100 Feuerwachen im Rahmen militärischer Auseinandersetzungen komplett zerstört worden. Die Einsatzkräfte der Feuerwehr sind pausenlos im Einsatz, um Verwundete zu versorgen, Brände zu löschen oder Verschüttete zu retten. „Dies sind Einsatzbedingungen jenseits unserer persönlichen Vorstellungskraft.“, merkt Andreas Leusing, Leiter der Feuerwehr, nachdenklich. Laut Informationen der Hilfsorganisation @fire soll das Tanklöschfahrzeug in den Regionen von Kiew oder Tschernobyl eingesetzt werden. „Das Einsatzfahrzeug ist zuverlässig, in allen Punkten einsatzbereit und mit den notwendigen Materialien ausgerüstet.“, so Leusing weiter. „Wir hoffen damit die Feuerwehrkräfte in der Ukraine, bei aller Grausamkeit die diese derzeit durchmachen müssen, unterstützen zu können.“
Auf der in dieser Woche in Hannover stattfindenden „Interschutz“ – ein Weltleitmesse für die Bereiche Rettungsdienst, Brand- bzw. Katastrophenschutz und Sicherheit – werden die vielen gespendeten Einsatzfahrzeuge und weiteres feuerwehrtechnisches Equipment aus der gesamten Bundesrepublik zentral von @fire gesammelt. Von Hannover aus startet der Hilfskonvoi zu einem zum Schutz der ukrainischen Kräfte unbestimmten Zeitpunkt Richtung polnische Grenze, wo die Fahrzeuge und Materialien in Empfang genommen werden. Hierbei werden Kameraden der Ochtruper Wehr den Konvoi begleiten und das Einsatzfahrzeug dort persönlich an die ukrainischen Kräfte übergeben in der Hoffnung, dass das TLF und vor allem seine Besatzungsmitglieder diesen Krieg zumindest körperlich unversehrt überstehen werden.