Neuer Einsatzleitwagen erreicht die Töpferstadt...
Wenn es irgendwo brennt, eine Person verletzt in ihrem PKW eingeklemmt ist oder die berühmte Katze, die auf dem Baum sitzt und nicht mehr alleine runter kommt – dann kommt die Feuerwehr. Gemäß ihrem Motto „Retten Löschen Bergen Schützen“ ist das Aufgabenspektrum der Feuerwehr in den letzten Jahren und Jahrzehnten enorm gestiegen. Die Annahme, dass die Feuerwehr nur dann kommt, wenn es brennt, gehört schon seit ewigen Zeiten der Vergangenheit an. Von Brände über technische Hilfeleistungen jeglicher Art bis hin zu Unfällen mit gefährlichen Stoffen und Güter – die Feuerwehr muss auf all diese Herausforderungen vorbereitet sein, um derartige Einsätze sicher und professionell abarbeiten zu können. Zur Bewältigung dieser Aufgaben verfügt die Feuerwehr neben den klassischen Einsatzfahrzeugen, wie beispielsweise den Löschgruppen- oder Hubrettungsfahrzeugen auch über verschiedene Arten von sogenannten Spezialfahrzeugen, welche für die Durchführung spezieller Arbeiten vorgesehen sind.
Ein ganz besonders Auto, welches sich sowohl äußerlich als auch von seiner Beladung her von seinen „Mitstreitern“ unterscheidet, ist der Einsatzleitwagen 1 (kurz ELW 1). Anders als bei einem klassischen Feuerwehrauto, wie man es vielleicht aus dem Bilderbuch kennt, wird man in einem Einsatzleitwagen vergebens nach Schläuchen oder gar einem Wassertank oder einer Pumpe suchen – dafür stößt man im Innenraum eines ELWs jedoch auf jede Menge Funk- und Computertechnik. Denn der Einsatzleitwagen löscht im Einsatz kein Feuer oder transportiert hydraulisches Rettungsgerät zum Verkehrsunfall, sondern steht mit seiner Besatzung und seinem Equipment dem Einsatzleiter oder der Einsatzleitung der sogenannten BOS-Kräfte (Behörden und Organisation mit Sicherheitsaufgaben) zur Führung und Koordination von taktischen Einheiten unterstützend zur Seite. Die Besatzung des ELWs ist somit Ansprechpartner für alle im Einsatz involvierten Kräfte und Organisationen, bildet die Kontaktstelle zwischen der Einsatzstelle, der Einsatzleitung und der jeweiligen Kreisleitstelle und stellt alle notwendigen Materialien und Informationen zur Führung und Leitung eines Einsatzes bereit. Des Weiteren ist der ELW für die Dokumentation des gesamten Einsatzablaufes (Bsp. das Erstellen von Funk-Protokollen) zuständig, um die im Einsatz gesammelten Erkenntnisse und die durch die Feuerwehr durchgeführten Maßnahmen im Nachhinein lückenlos nachzuweisen.
Die standardgemäße Besatzung eines ELW 1 setzt sich aus mindestens drei Feuerwehrmännern/-frauen zusammen (Trupp-Stärke 1:2) und dient der Führung von Einsätzen kleinerer oder mittlerer Größe. Für die Führung größerer Einsätze kann der jeweilige Einsatzleiter auf den vom Kreis Steinfurt zentral angeschafften Einsatzleitwagen 2 (ELW 2) und dessen Besatzung zurückgreifen, welcher von seinem Equipment bzw. seiner technischen Beladung her im Vergleich zu einem ELW 1 breiter aufgestellt ist.
Seit 2002 fungiert bei der Feuerwehr Ochtrup ein Ford Transit, welcher damals von der Firma Brinck aus Münster ausgebaut wurde, als Einsatzleitwagen. Mit den steigenden Anforderungen an dieses Einsatzfahrzeug entschied man sich 2011 dazu, den Innenausbau des ELW in „Eigenregie“ umzubauen. Denn der 2002 ausgelieferte ELW besaß neben einem Tisch in der Mitte beider Rückbänke u.a. nur je zwei analoge 4-Meter- und 2-Meter-Funkgeräte, welche mit dem Aufbau des Digitalfunknetzes und dessen Einführung im Jahr 2014 ihre Funktion verloren haben. Außerdem wurde mit dem Umbau des ELWs erstmalig ein PC-Arbeitsplatz und ein zentraler Funk-Arbeitsplatz eingerichtet, welche so in dieser Form vorher nicht vorhanden waren. Doch trotz der technischen „Aufrüstung“ des Fahrzeuges, in dessen Umbau die Kameraden in ihrer Freizeit viel Herzblut investiert haben, musste die Feuerwehr in den letzten Jahren feststellen, dass dieses Einsatzfahrzeug für die Belange der Feuerwehr Ochtrup nicht mehr ausreichend ist. Wo damals ein Kugelschreiber und ein Notizblock ausreichte, werden an die heutigen Einsatzleitwagen ganz andere Anforderungen und Erwartungen gestellt. Und somit setzte sich erstmals im September 2017 eine ca. 10.-köpfige Planungsgruppe bestehend aus ausgewählten Mitgliedern der Feuerwehr zusammen, um die Anschaffung eines neuen ELW 1 zu planen. Den Zuschlag für die Fertigung eines neuen ELW 1 erhielt damals die Firma GSF Sonderfahrzeugbau GmbH aus dem emsländischen Twist. Bereits Mitte letzten Jahres startete nach knapp zweijähriger Planungsphase der Ausbau des neuen Fahrzeugs, sodass dieses kurz vor Weihnachten – genauer gesagt am 18.12.2020 – an die Feuerwehr Ochtrup ausgeliefert werden konnte.
Bei dem neuen Einsatzleitwagen 1 handelt es sich um einen Mercedes Sprinter 519 CDI (Euro 6, 190 PS) mit langen Radstand und Automatikgetriebe. Mit einer Länge von 7,36m, einer Breite von 2,1m und einer zulässigen Gesamtmasse von 5,5t. bringt der neue ELW im Vergleich zu seinem jetzigen Vorgänger ganz andere Möglichkeiten zur Führung und Koordination von Einsatzstellen unterschiedlicher Größe mit sich. Zu seiner Ausstattung zählen neben einer zusätzlichen Klimaanlage, einer Standheizung und einer ausfahrbaren Markise, ein separat vom Fahrzeug abgrenzbarer Funkarbeitsraum und ein im vorderen Teil des Fahrzeug befindlicher Besprechungsraum. Der im rückwärtigen Teil des Fahrzeugs untergebrachte Funkarbeitsraum, welcher durch eine extra verbaute Tür von den äußeren Geschehnissen rund um den ELW „abgeschotten“ werden kann, verfügt über zwei komplett identisch ausgestattete Funk- und PC-Arbeitsplätze. Hierbei stehen den Benutzern pro Arbeitsplatz ein „Car-PC“ mit je zwei 22-Zoll-Monitore und einer Anbindung an ein NAS-Laufwerk, an einem LTE-Router für die Mobile-Daten-Anbindung und einer POCSAG-Databox zur Verfügung . Die insgesamt vier fest im Fahrzeug eingebauten Digitalfunkgeräte, sowie die ebenfalls im Fahrzeug verbaute Telefonanlage können über das von der Firma Selectric entwickelte Kommunikationssteuerungssystem IDECS (Integrated Dispatch and Emergency Control System) von beiden Arbeitsplätzen interaktiv bedient werden und garantieren somit eine enorme Bedienerfreundlichkeit.
Der im vorderen Teil untergebrachte Besprechungsraum verfügt neben zwei Sitzplätzen über einen in der Mitte montierten 32-Zoll-LCD-Bildschirm, welcher an einen eigenständigen PC angebunden ist, gleichzeitig aber auch Bildausschnitte von den jeweiligen PC-Arbeitsplätzen aus dem Funkarbeitsraum duplizieren kann. Neben zwei dort verlasteten schnurlosen Telefonen kann der Besprechungsraum durch Anschluss der Bedien- & Besprechungseinrichtung „ORCA 17“ zu einem dritten Funk- und PC-Arbeitsplatz erweitert werden. Die Stromversorgung des ELW wird im laufenden Betrieb durch Zuschaltung einer Dynawattanlage sichergestellt – als Backup ist im Heck des ELW jedoch zusätzlich ein Stromgenerator Honda ESE 3000i verlastet. Daneben sind im Geräteraum neben der geläufigen Standardausrüstung wie beispielsweise Absicherungsutensilien und Co. weitere Ausrüstungsgegenstände verlastet – unter anderem Tisch und Bänke, Stativ und Antenne, div. Kennzeichnungswesten und technisches Zubehör. Von außen verfügt der ELW 1 über 2 Hänsch DBS 4000 Balken-Anlagen, einer aufgesetzten Martin-Horn-Anlage und einer zu allen Seiten hin ausgerichteten LED-Umfeldbeleuchtung. Gesteuert wird die Sondersignalanlage zentral aus dem Führerhaus, wo unteranderem auch das TETRA-Navigationsgeräte „Columbus“ verbaut ist.
Nachdem der ELW bereits vor einigen Wochen in sein neues Zuhause am Westwall einziehen konnte, fand in der vergangenen Woche die Administratoren-Einweisung der Firma Selectric aus Münster statt. Hiernach soll – sofern es die derzeitige Corona-Lage erlaubt – die Schulung für die Kameradinnen und Kameraden auf das neue Einsatzfahrzeug in Kleingruppen anlaufen. Erst danach wird der neue Einsatzleitwagen offiziell in seinen Dienst als rollende Einsatzzentrale starten.